Seinem Titel gerecht werdend, wurde über das Werk ´Whistle-Blower´von Iris ter Shiphorst bereits vor der Uraufführung viel gesprochen und berichtet, über die brandaktuelle Thematik, die behandelt wird und die alternative, digitale Umsetzung. Aber dazu, wie whistleblowing auf und durch die Blockflöte klingen würde, hatte ich nur vage Vorstellungen.
Im Mittelpunkt der digitalen Aufführung steht der Solist Jeremias Schwarzer, der die Rolle des Whistleblowers verkörperte. Eine Figur, die sich in einer misslichen Lage befindet und die unter unerträglichem Druck steht. Man hat das Gefühl, er trägt etwas in sich, das einen Weg sucht, um an die Oberfläche zukommen, aber nicht sofort zum Ausbruch kommt, sondern brodelt wie ein Vulkan. Das Streichensemble schafft eine düstere und angespannte Grundstimmung, als ob sich schwarze Wolken ausbreiten würden, die etwas Unheilvolles ankündigen. Die Gesichtszüge des Solisten sind verhärtet und sein Blick ist starr. Wie in Trance faucht, braust, stöhnt er in sein Instrument. Es rauscht aus ihm heraus und er gibt sich dem Rhythmus, den das Orchester vorgibt, nach und nach hin. Pulsierend. Tosend. Undurchsichtig. Worte kann man nicht verstehen, zu verzerrt ist der Klang durch das impulsive Hindurchschicken des Atems durch die Flöte. Mal bespielt der Flötist das ganze Instrument, mal nur einen Teil davon. Das Fußstück wird zum eigenen Instrument. Der Klang von Luft wird zu Musik. Die Blockflöte, eigentlich längs gespielt, wird kurzerhand umfunktioniert zur Querflöte, Jeremias Schwarzer gibt nicht nur Luft hinein, sondern saugt sie auch aus dem Instrument heraus. Ohr und Auge werden miteinbezogen und zu den Klangfarben, die durch die Effekte erzeugt werden, kommen Klangbilder und Melodiefragmente hinzu. Der Funkspruch im Hintergrund, die Schüsse. Die Atmosphäre ist beklemmend aber man kann nicht davon ablassen, wegschauen oder weghören.
Dass das Ensemble Resonanz und Jeremias Schwarzer, ihre Stimmen getrennt voneinander aufgenommen hatten, kann man keineswegs hören, nur erahnen, da sich das Streichensemble und der Solist im Video offensichtlich nicht im selben Raum aufhalten. Obwohl das Werk ursprünglich anders konzipiert war und die Uraufführungsform in Rahmen von ECLAT 2021 an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden musste, tat der Aussagekraft des Werkes keinen Abbruch. Im Gegenteil es ist ein gutes Beispiel dafür, dass künstlerisch kraftvolle Lösungen gefunden werden können für Projekte, die ansonsten nicht möglich gewesen wären.