Ich liege im Bett auf dem Rücken, die Augen geschlossen, Kopfhörer auf den Ohren, im Klang versunken. Doch halte ich es so nicht lange aus, ich will auch sehen, was da passiert! Ein großes Schlagwerk-Setup ist da rechts im Bild zu sehen und eine junge Frau, die es bedient. Vibraphon, Tam-Tam, Klangschalen auf Fellinstrumenten. Dazu höre ich die Stimme einer anderen Frau, die durch den sphärischen Klangnebel um meinen Kopf kreist, dann untertaucht, um ganz Teil davon zu werden, nur um sich wieder abzulösen. Die Komponistin Marta Gentilucci hat das Stück für Stimme und Schlagwerk komponiert. Sarah Maria Sun singt und wird dabei von Vanessa Porter begleitet, wobei begleiten hier nicht das richtige Wort ist. Viel mehr treten die Musikerinnen und deren erzeugte Klänge in Austausch und Interaktion. Canzoniere Part I und II werden in einer Spätvorstellung des ECLAT Festivals ab 22 Uhr vorgetragen.
Wenn ich mir ein Bild zu der Musik vorstelle, sehe ich vor dem inneren Auge Nebelschwaden in der Dunkelheit, die durch herumirrende Lichter in bunten Farben schimmern, jedoch matt und verschwommen. Eine orange, pinke und hellblaue Suppe, die mich umgibt und verschluckt. Ich befinde mich wie in Trance, schauend und nicht schauend, hörend und nicht hörend. Der Nebel wird so dicht, dass ich ihn fast schon spüren, riechen und schmecken kann, in seiner feuchten und zugleich trockenen Schwere, die so leicht aussieht. Ich will mich nicht bewegen, nicht aufwachen.
Um 22:22 ist der intensiv spürbare Zauber leider vorbei, das Ausklingen wird jäh abgebrochen durch die Möglichkeit für die digitalen Zaunkönige, Kommentare auf dem Bildschirm aufploppen zu lassen. Für mitteilungsbedürftige Zuhörer und die Künstler, die es später lesen, vielleicht ganz nett. „Herzchen, Applaus Applaus, Bravo, I loved it.“ Mich stört es einfach nur. Mein Trancezustand ist verloren.