Da hängt die Latte hoch

Ulrich Wiederspahn, 23 Jahre

Auf einem Festival für Neue Musik ein Stück mit dem Titel Different uraufzuführen, ist mutig. Welche Künstlerinnen und Künstler wollen sich schließlich nicht von den anderen absetzen, eigene Ideen entwickeln und generell alles anders machen als die vorangegangenen Generationen? Sead Haddads Different enthält traditionelle Elemente, trägt seinen Titel dennoch vollkommen zurecht.

Der in Jordanien geborene Komponist Sead Haddad hat dieses Werk für Vierteltonmarimba und Orchester geschrieben. Seit Jahren verbindet er in seinen Kompositionen Elemente der sogenannten arabischen und westlichen Musikkultur. Im arabischen Musikraum gibt es zum Beispiel unterschiedliche Skalen, die mehr als zwölf chromatischen Töne innerhalb einer Oktave beinhalten. In Different verwendet Haddad sieben zusätzliche Töne, die dem Soloinstrument zur Verfügung stehen. Diese kann der Musiker über eine zusätzliche Reihe mit vierteltönig gestimmten Holzklangstäben spielen, die er an seinem Instrument befestigt. Der Solist Pedro Carneiro sagt im Interview nach dem Konzert: „Seit ich diese Erweiterung kenne, verwende ich sie für Improvisationen, meine eigenen Werke und Auftragskompositionen, um die Möglichkeiten dieses wundervollen Instruments zu erweitern.“

Haddad wendet sich in seinem Stück von der Ästhetik ab, die sich im 20. Jahrhundert etabliert hat. obwohl das Orchester auf den ersten Blick traditionell anmutet, kann man ihm auch eine Rückgewandtheit nicht vorwerfen. Der Komponist fügt dem Klangkörper einige tiefe Instrumente hinzu, wie Bassklarinette und Wagnertuba. Seine Tonsprache lässt sich in keine Schublade stecken, es klingt harmonisch, obwohl kein tonales Zentrum hörbar ist. Selbst geräuschhafte Elemente konstruiert Haddad zu einem Fundament, das die zarten Melodien sicher trägt. Pedro Carneiro liebt die Einzigartigkeit des Stücks: „Haddad setzt weder das Schlagwerk, noch die Mikrointervalle auf aggressive Weise ein. Er verlangt von den Marimbamelodien einen weichen, runden, singenden Klang – er verwendet das Instrument auf eine intime Art und Weise.“

Tiefe, dunkle Klangteppiche breiten sich im Orchester aus, auf die sich der matte Glanz des Marimbas legen kann. Flächen und Punkte, Fließen und Tropfen, Geräusche und Melodien – das Kontrastspiel in Different ist ein Genuss. Gregor Mayrhofer und das SWR Symphonieorchester arbeiten den Detailreichtum der Partitur deutlich heraus. Different ist ein nicht nur ein Werktitel; das Anders-sein ist ein Statement und ein Attribut.