Der zauberhafte Tanz der Glühwürmchen

Katharina Meding, 20 Jahre

Das Licht erlischt und eine flimmernde Atmosphäre entsteht, die an eine Nacht unter Bäumen erinnert. Der Blick gleitet ins Unendliche, weil die Finsternis alles verschluckt. Nur der Wind und die raschelnden Blätter sind zu hören. Hier und da entferntes Grillenzirpen. Plötzlich schiebt der Wind die Wolken beiseite und gibt den Blick frei auf eine zauberhafte Choreographie aus Lichtspiel und Klängen. Der Wind wird mild und das Ballett der Glühwürmchen beginnt.

In „Bioluminiscence“ malt die norwegische Komponistin Kristine Tjøgersen Bilder von tanzenden Nachtschwärmern, die mit Hilfe von Symbionten Licht erzeugen können. Das Orchesterspiel beginnt in völliger Finsternis. Ein paar Lichter blinken auf und erwecken die ersten Bilder der Nacht-Fauna zum Leben. Überaus behutsam entstehen die ersten Pizzicato-Klänge, verschmitzte Einfälle der Bläser gesellen sich hinzu und zeichnen mit den Spiccati der Streicher ein Potpourri an Choreographien der kleinen Lichtwesen. Der Einsatz einer Taktangabe in den Geigen vervollkommnet den Eindruck eines leichten Tanzes, verziert mit übermütigen Luftsprüngen und wahrhaft hörbaren Flügelschlägen. Schon bald versteht man die Illustration der choreographischen Bewegung, die je nach Spezies unterschiedliche Schritte verfolgt. Tjøgersen versteht es, diese wissenschaftlich nachgewiesenen Bewegungen der Lichttiere klanglich zu skizzieren und das Wunder der Natur mit dem puren Klang des Kammerorchesters und visuellen Ideen in Erscheinung treten zu lassen.

Die unterschiedlichsten Tanzfiguren der Nacht-Tierchen bleiben dem staunenden Publikum in Erinnerung, während sie genauso flink, wie sie auftauchten auch schon wieder enttanzen. Das eigentlich für großes Orchester komponierte Werk hat Kristine Tjøgersen für das ECLAT-Festival in ein Stück für Kammerorchester umgeschrieben. Diese Reduktion fällt jedoch kaum auf; das Ohr wird eher geschärft durch die überraschend erscheinenden Klänge und winzigen blinkenden Lichter, die um das Orchester herumspringen. Der Perkussionist Jochen Schorer erzählt im SWR-Interview von seinem etwas außergewöhnlichen Assistenten: ein beleuchteter Micro-Roboter in Gestalt eines Lichtkäfers, der immerzu über seine Pauke „flitzte“ und so selber musikalisch aktiv werden durfte. Das Thema des Werkes soll nicht nur eines der vielen Wunder der Natur vertonen, es soll auch auf die stetig abnehmende Zahl der Glühwürmchen aufmerksam machen. Die zunehmende Lichtverschmutzung, verursacht durch grelle künstliche Lichter, bedroht mehr und mehr das natürliche Habit und das biologische Verhalten der Nachtschwärmer. Ein fernes Echo ist noch zu hören, danach nur noch das Rauschen des Windes. Einfach zauberhaft.