Flügel und Geflügel

Amelie Augustin, 16 Jahre

Der Raum ist dunkel. Man hört leise Schritte. Ein Rascheln. Ein Schlurfen. Ein Scheinwerfer geht an. Zu sehen sind: Hähnchen. Aber Moment mal: Hähnchen? Das kann nicht sein. Das Stück von Simon Løffler heißt zwar „animalia ll“, jedoch zweifle ich daran, dass es sich bei der ll um die Anzahl an Geflügel handelt. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass das nicht gerupfte Vögel, sondern die freien Rücken zweier Performerinnen auf der Bühne sind.

An ihren Schultern sind fein geformte Libellenflügel befestigt, zart und filigran. Fast ist nicht zu erkennen, dass sie aus Plastik bestehen. Die ersten Bewegungen der Flügel sind zögerlich, vorsichtig und unsicher. Synchron flattern sie auf und ab, erzeugen dabei ein sanftes Geräusch. Der Kopf dreht sich zur einen Seite, der Kopf dreht sich zur anderen Seite. Ein fremder Laut erklingt. Ein leises Ratschen. An den Flügeln sind kleine Vorrichtungen angebracht, meisterhaft durch verborgene Handbewegungen der Performerinnen in Schwingung versetzt. Über vier Minuten entfaltet sich die Performance, eine Mischung aus Atmen, Reiben und Schleifen. Jeder Klang wird nur mit den Flügeln und den Körpern der Performerinnen erzeugt. Das Stück ist herrlich einfach und wunderbar ästhetisch. Ich fühle mich immer entspannter, je länger ich den beiden zusehe. Jeden Moment rechne ich damit, dass sie aufstehen und davonfliegen, vielleicht zurück zu einem Teich mit grünem Schilf oder auch einfach hinter die Bühne. Doch nichts passiert, sie kommen nicht vom Fleck. Schweres Atmen, Unruhe. Warum wollen sie nicht losfliegen? Was hält sie fest? Das Stück endet, zurück bleibt nur stumme Verwirrtheit. „animalia ll“ ist nicht unfassbar pompös oder akustisch herausfordernd. Dabei ist es nicht eintönig oder gar eindimensional. Die Details in Bewegung und Klang machen das Stück sehr feingliedrig, erreichen so eine Tiefe, an die andere Stücke vielleicht nicht herankommen. Es ist neu, es ist anders und es ist schön und für mich an diesem Konzertabend eine willkommene Erholung von erzwungenem musikalischem Intellekt.