Musik kennt keine Grenzen

Nora Bahl, 17 Jahre

Streicher, Holz- und Blechbläser, Schlagwerk, einen Dirigenten: Alles was ein gutes Orchester benötigt, hat auch das deutsch-französische Juniororchester, bestehend aus 35 französischen und 35 deutschen Kindern und Jugendlichen, das bald beim Festival Young Euro Classic im Konzerthaus am Gendarmenmarkt auftreten wird. Für viele ist es das erste Mal, dass sie auf so einer großen Bühne stehen werden, die jüngsten Geigerin ist erst sieben Jahre alt.

Zuerst trifft sich die deutsche Hälfte des Young Euro Classic Juniororchesters auf dem Gutshof Britz, im Kulturstall und setzt die verschiedenen Stimmen zusammen. Die 7- bis 18-Jährigen kommen von der Musikschule Paul Hindemith in Neukölln. Noch nicht alles klingt perfekt, manchmal spielen sie noch nicht gleichzeitig und noch nicht ganz sauber, aber es sind noch anderthalb Wochen Zeit bis zum großen Konzert und es wird deutlich, dass alle viel Freude an der Musik und dem Spielen im Orchester haben.

Bei der Probe ist mir ein Junge aufgefallen, der mir das Gefühl gab, er gäbe den Herzschlag an, weil er an den Pauken, an der Großen Trommel, am Schlagzeug, das Becken oder den Gong spielte. Das fand ich beeindruckend, weil er nicht wie die meisten anderen nur ein einziges Instrument spielt. Mathis ist dreizehn und sagt, dass es gerade diese Vielseitigkeit ist, die ihm am Schlagwerk so sehr gefällt. Der Dirigent, Stefan Kelber, nenntdas Schlagwerk in der Probe „den zweiten Dirigenten des Orchesters“, weil es den Takt, den er angibt, unterstützt.

Am fünften Tag des Projekts reist das französische Orchester „El Camino“ aus Pau an. Der Moment des Zusammentreffens der beiden Orchester ist ein Moment der Spannung. Die Kinder und Jugendliche kommen von beiden Seiten des Hofes aufeinander zu, die Franzosen gut erkennbar an gelben Baseballcaps. Vorsichtig nähern sich die beiden Orchester, manche noch etwas schüchtern; einige der Kinder und Jugendliche waren noch nie außerhalb Frankreichs.

Die unterschiedlichen Muttersprachen der Musiker stellen natürlich eine Hürde dar. Die wenigsten Franzosen können Deutsch und andersherum. Aber es werden Wege gefunden. Die meisten könnten Englisch, und beim Musizieren ginge auch vieles ohne Worte, berichtetet Mathis später. Zu Beginn gibt es Kennlernspiele in kleinen Gruppen: Jeder stellt sich vor und zeigt pantomimisch, welches Instrument er spielt.

Vor der ersten gemeinsamen Probe müssen jedoch erst einmal die Stühle für alle hingestellt werden, immerhin sind es jetzt doppelt so viele wie vorher, und wegen Corona muss ein größerer Abstand zwischen den Musikern eingehalten werden als sonst üblich, zwischen den Bläsern stehen Plexiglasscheiben, manche sitzen auf der Bühne.

Als die Probe dann aber beginnt, denkt man nicht mehr daran, was alle unterscheidet. Der Klang ist viel voller als zuvor. Mit dem französischen Orchester sind auch Instrumente dazugekommen, die es vorher nicht gab, z.B. Saxophone, Trompeten, Hörner und eine Tuba. Wenn sie gemeinsam spielen, bekommt man sofort Lust, selbst in einem Orchester mitzuspielen. Die Leidenschaft und Begeisterung, die die Jugendlichen aus Neukölln und Pau beim Spielen versprühen, sind überwältigend – und sie sind erst am Anfang ihrer Probenzeit.