Man betritt die Sporthalle und bekommt erstmal Ohrstöpsel. Schon bei den Proben von Performance – Here and there von Ricardo Eizirik war es zwar so laut, dass man das Dröhnen im ganzen Haus gehört hat, trotzdem haben wir nicht erwartet, dass im Konzert alle ihr Gehör schützen müssen.
Wir werden begrüßt von einem projizierten Text: “Welcome. Please take a seat.” Die Sitzplätze sind erstaunlich weit vom Ensemble Ascolta entfernt. Der Abstand des Publikums zum Ensemble Ascolta soll den Durchmesser von Bäumen darstellen, die vor tausenden Jahren genau hier standen. Man hört Naturgeräusche, wie Vogelgezwitscher und Hundebellen. Die Geräusche hat Ricardo Eizirik im Internet gefunden. Diese Aufnahme stammt aus den 60er Jahren und wurde genau hier aufgenommen, an der Stelle, an der heute das Theaterhaus steht. Das Publikum liest diese Vorgeschichte auf der Leinwand. Man liest, dass Bäume Vibrationen von Geräuschen wahrnehmen, so wie unser Körper laute Musik im Club spürt. Bäume nehmen Geräusche nicht nur wahr, sondern erzeugen sie auch selber. Da diese Bäume so groß sind, produzieren sie auch laute Klänge. Mit diesem Wissen ändert sich die Wahrnehmung der Aufnahme, denn jetzt wirkt sie vertraut und fühlt sich wie zu Hause an. Die Geräusche werden jetzt lauter, vor allem das Rauschen der Bäume, das irgendwann zu einem megalauten Bassbrummen wird.
Das Publikum wird aufgefordert durch den Raum zu laufen. Die Wahrnehmung soll durch Interagieren des Publikums geändert werden, da die Menschen nicht mehr anonym sind, sondern sich gegenseitig beobachten, erklärte uns Ricardo Eizirik schon nach der Probe im Interview. Nach und nach sammeln sich alle Zuhörer bei den Musikern des Ensemble Ascolta, die bis dahin aber noch gar nicht gespielt haben. Wir fühlen uns zwar mit in das Stück einbezogen, können aber keine Verbindung zu den anderen wahrnehmen. Trotzdem ändert sich unser Empfinden der Töne durch die Vorgeschichte.
Denn ohne sie würden wir nicht darauf kommen, dass die lauten Bassklänge die Geräusche der riesigen Bäume darstellen sollen. Während der Probe, bei der wir die Vorgeschichte nicht kannten, hätten wir es niemals damit verbunden. Ricardo nennt ein anderes Beispiel: „Man hört einen Vogel und denkt sich nichts dabei. Dann bekommt man die Information, dass dieser Vogel danach gestorben ist. Unsere Wahrnehmung seiner letzten Töne ändert sich sofort.“
Die Basstöne erreichen bis zu 100dB, trotzdem hört man die Naturgeräusche der Aufnahme auch immer wieder sehr klar. Nachdem der Bass ausgeklungen ist, ist Klimpern des Ensemble Ascolta zu hören. Wie ein klingelndes Haustelefon. Die Vergangenheit ruft.
Es war schon cool, diese Wahrnehmungsveränderung zu verspüren. Aber ein Zusammengehörigkeitsgefühl haben wir nicht entdecken können. Und das Herumlaufen hätte mehr Sinn, wenn verschiedene Töne aus unterschiedlichen Ecken gekommen wären, dann hätte man sie an jeder Stelle anders wahrnehmen können.