Das letzte Fest

Julia Kaiser, 99 Jahre

Kein schönerer Ort konnte für die ersten Abendkonzerte gefunden werden als die mit Kerzen erleuchtete kleine Dorfkirche St. Niels in Westerland. Der Gründonnerstagabend ist noch nicht das Abschiednehmen von einem geliebten Freund, sondern das rauschende Glück des Beisammenseins. Ganz ideal: Wenige Restplätze sind bei den Kammermusikkonzerten immer zu haben für Kurzentschlossene, doch das Publikum ist zahlreich genug, um einen Resonanzkörper für die feinsten Nuancen zu bilden, die von vorn über die Köpfe und in die Herzen getragen werden. Wie eine Bande von Waschbären im Geräteschuppen treiben Klarinettist Matt Hunt, Hornist James Pillai und die brillante Fagottistin Amy Harman ihr Unwesen, lassen es im avantgardischen Bläsertrio von Isang Yun scheppern und klappern, quietschen, fiepen und kichern und rutschen mikrotonale Skalen hinab. Somit sind die Ohren geputzt für den bronzeschimmernden Mezzosopran der Ungarin Doróttya Láng und vier feierliche Songs von Henry Purcell. Dirk Mommertz erweist sich als einfühlsamer Leidbegleiter und geht gleich darauf ebenso empathisch auf Amy Harman ein. Die in Düsseldorf lehrende erste Fagott-Professorin Deutschlands interpretiert die impressionistischen Fagott-Sonate von Camille Saint-Saens zupackend. Die inneren Türen sind weit aufgeschlossen für den Blick in die Ewigkeit, den Robert Schumann in seinem Klavierquintett geschaffen hat. Man ist dabei, wenn fünf Fremde durch die Musik für immer in Freundschaft verbunden werden, jede und jeder sagt in Klängen, was sie in diesem Moment mitteilen möchten, es ist ein sprechendes, herzklopfendes Lauschen, dem sich jeder Zuhörende sofort anschließen kann.