Fokussiert, aufmerksam, aber auch mitgerissen – so lässt sich der Gesichtsausdruck der Flötistin und Komponistin Gili Schwarzman während der Proben zu ihrem Klarinettenquartett „Hannah“ beschreiben. Das Zusammenspiel von Guy Braunstein, Violine, Adrien La Marca, Viola, Zvi Plesser, Violoncello und Raphaël Schenkel, Klarinette klingt harmonisch, zugleich bewegend, emotional und intensiv, mit sehr hohen und eindringlichen Passagen. Dieses besondere musikalische Erlebnis findet in der alten Synagoge in Hechingen statt, deren Umgebung der Aufführung eine zusätzliche Tiefe verleiht.
Schon zu Beginn ist spürbar, wie sehr die Komponistin in ihrer Musik aufgeht. Sie beobachtet nicht nur die Instrumentalisten, sondern auch die Wirkung ihrer Komposition auf das Ensemble. Während einer Pause gibt sie bereitwillig Einblick in ihre Gedankenwelt und ihren Werdegang. „Ich bin sehr gespannt, was ihr in den letzten 24 Stunden gehört habt“, sagt Gili Schwarzman und setzt sich gemeinsam mit den Klang-Labor Reporterinnen auf die Stufen vor einem Hauseingang.
Besonders faszinierend findet Schwarzman, wie unterschiedlich ihre Musik von den Zuhörern wahrgenommen wird. Die Klang-Labor Reporter schildern ihre Assoziationen und Geschichten zu ihrer Musik. Einige sprechen von Dunkelheit und Bedrohung, andere von Hoffnung und Licht. Für Schwarzman liegt darin die Kraft der Musik: „Instrumentale Musik gibt jedem Zuhörer die Freiheit, eigene Bilder und Geschichten zu entwickeln. Ich erzähle keine festgelegte Geschichte, sondern öffne einen Raum für individuelle Erfahrungen.“
Sie erzählt von ihrer Kindheit in Israel, geprägt durch die enge Beziehung zu ihrer Großmutter, einer Holocaust-Überlebenden. Täglich holte die Großmutter sie vom Kindergarten ab, sie verbrachten Zeit mit Musik, Tanz und gemeinsamen Ritualen. Wenn sie sich zum Mittagsschlaf hinlegten, vertraute die Großmutter ihr ihre Erlebnisse aus der Zeit des Holocaust an, im Konzentrationslager Auschwitz – ein streng gehütetes Geheimnis zwischen ihnen beiden. „Ich wusste nicht, dass andere Kinder solche Geschichten nicht hören. Für mich war das normal“, berichtet Schwarzman rückblickend. Die Erinnerungen waren oft sehr detailliert und bildhaft. Als Kind versuchte sie, sich die Szenen wie einen Film vorzustellen, um sie besser zu begreifen. Ihre Großmutter hatte acht Geschwister, von denen viele nicht überlebten.
Lange Zeit sah sich Schwarzman nicht als Komponistin. „Ich hatte immer Melodien im Kopf, dachte aber nie, dass ich wirklich Musik schreiben kann“, gesteht sie. Erst mit etwa 30 Jahren wagte sie den Schritt. Sie beschreibt das Komponieren als eine Art magische Erfahrung: „Es fühlte sich an, als käme die Musik nicht von mir, sondern von meiner Großmutter. Als würde sie einen Weg finden, ihre Geschichte durch mich zu erzählen. Das klingt vielleicht kitschig, aber es ist wirklich so.“ Was Gili Schwarzmans Großmutter Hannah ihr erzählt hat, hören wir bei der Uraufführung in der Alten Synagoge.