Ein Apfel verändert alles

Masami Aiko, 35 Jahre

ILolli-Pop von Alex Paxton ist ein spannendes, dramatisches Werk für ein Ensemble, das notierte Musik spielt, und eine*n improvisierende*n Musiker*in. Bei dieser Aufführung trat der Komponist selbst, Alex Paxton, als Posaunensolist auf. Das Stück ist musikalisch in mehrere Szenen unterteilt, wobei die dramatischen Übergänge zwischen den einzelnen Passagen die Faszination dieses Stücks ausmachen. In jeder Szene sind die Instrumente des Ensemble Modern nach Stimmlage und Klangfarben gruppiert und treten abwechselnd auf, überlappen sich und interagieren miteinander. Am Anfang des Stücks beispielsweise beginnen die Sopraninstrumente leise zu klingen, und das Posaunensolo spielt damit, indem es das Sordino einfügt und entfernt, bevor die Bassinstrumente darauf reagieren und mit ihnen abwechseln. Dieser Szenenwechsel wird sehr lebendig und charakteristisch dargestellt und kann daher auch per Livestream genossen werden.

Das Posaunensolo erscheint zum Anfang beziehungsweise am Ende jeder Szene und das neue Aufführungsmaterial, die Spieltechnik und die jeweils andere Darstellungsweise geben die Richtung für die nächste Szene vor. So spielt das gesamte Ensemble unmittelbar nach dem Beginn tonale und melodische Musik, begleitet von einem jazzartigen Ostinato, das sich in mehreren Schichten aufbaut. Der Solist hält dann einen leisen Monolog mit Geräuschen, worauf das Ensemble entsprechend leiser wird und der Klang stoppt. Später wird das Ostinato wieder aufgenommen, aber mit verändertem Erscheinungsbild.

Verschiedene Instrumentengruppen wiederholen oft ein bestimmtes Klangmuster, ähnlich wie in der Minimalmusik, aber sie repetieren es nicht einfach auf dieselbe Weise. Die Klangmuster variieren sich von Szene zu Szene und lassen den Hörer auch eine Veränderung innerhalb jedes Abschnitts spüren. Es gelingt dem Komponisten, etwa durch die Veränderung von Vorder- und Hintergrund durch die gruppierten Instrumentengruppen, die Veränderung der Instrumentation, durch den Einsatz der Melodika oder des Geräusches beim Essen eines Apfels einen völlig anderen Eindruck zu schaffen.

Eine weitere große Attraktion ist die Möglichkeit, die Ausdruckskraft einer wirklich vielfältigen Posaunenpalette zu erleben. Resonanz mit und ohne Sordino und Geräuschentwicklung. Aggressiver Klang zusammen mit Percussion-Instrumenten. Der Ausdruck des Schluchzens durch die Instrumente und die eigene Stimme des Interpreten. Oder der komische Ausdruck des Interpreten, als würde er sprechen. Die seufzende, bittere Atmosphäre in den sanften Szenen. Eine süße und melancholische Szene, die mit einem Zitat des Anfangsthemas aus dem Film Casablanca beginnt und zusammen mit der Melodika nostalgisch wirkt. All diese Vielfalt und die detaillierte Darstellung von Emotionen sowie die vielseitigen Spielmöglichkeiten der Posaune bestimmen die Richtung und den Eindruck des Stückes.

Das Finale wartet mit einer weiteren Überraschung auf. Als Reaktion auf das intensive Spiel der Posaune ertönt ein reiches Schwellwerk des Ensembles, das den Zuhörer das Ende des Stückes erwarten lässt, sich aber bald wieder beruhigt. Dann, während das Ensemble mit Klangmischungen die ausgehaltenen Töne leiser werden lässt, drückt die Posaune verschiedene komplexe Emotionen wie Angst und Seufzer aus, und ehe man sich versieht, wird das eingespielte Geräusch einer Maschine allmählich präsenter. „ILolli-Pop“ endet damit, als die Posaune verklingt und nur noch das Geräusch der Maschine bleibt, die schließlich verstummt. In diesem Moment hatte ich ein Lächeln im Gesicht und ein Gefühl der Heiterkeit.