Die letzten Schliffe vor dem großen Konzert werden heute am Samstag den Stücken gegeben, inwiefern reagiert der große Saal des Konzerthauses anders als der Kulturstall in Britz, in dem das deutsch-französischen Juniororchesters bisher geprobt hat, was muss beim Auf- und Abgehen beachtet werden? Alles Dinge, die heute noch geklärt werden müssen. Denn zum ersten Mal auf der Bühne des großen Saals des Konzerthauses am Gendarmenmarkt sind nicht nur die Kinder und Jugendlichen des deutsch-französischen Juniororchesters, sondern auch der Dirigent Stefan Kelber. Vor etwa einer Woche erst traf das französische Jugenorchester „El Camino“ auf Jugendliche der Paul Hindemith Musikschule. Seitdem ist viel passiert. Intensive Proben, aber auch viel Freude an gemeinsamen Erlebnissen. Die 16-jährige Geigerin Nora erzählt mir in der Pause, dass sie dieses Projekt auf jeden Fall nochmal machen würde und sie durch das Orchester auch neue Freunde gefunden habe. Viele aus Neukölln hat sie schon vorher gekannt, aber auch ein Franzose verbringt mit ihnen die Pause.
Bei der Probe besonders ins Auge gestochen ist mir der Dirigent des französischen Orchesters, Fayçal Karoui. Er ist ebenfalls der Dirigent des Profi-Orchesters von Pau (dem Herkunftsort der französischen Musiker und Musikerinnen) und er hat auch schon viele andere große Orchester dirigiert. Der mittelgroße Mann mit leicht ergrautem Haar gibt nicht einfach nur den Takt an, er reißt die Arme in die Luft, macht sich ganz klein, fliegt wie ein Vogel und strahlt, während er dirigiert. Selbst bei den Stücken, bei denen nicht er das Orchester dirigiert, sondern Stefan Kelber, steht er am Rand und bewegt auch die Arme, obwohl ihn niemand sieht. Es wirkt, als ob er gar nicht anders könnte, als zu dirigieren, wenn er Musik hört. „Er will richtig, dass wir das, was wir spielen, auch fühlen“, erzählt mir Nora. Das erinnert mich an ein Zitat von Beethoven „Eine falsche Note zu spielen ist unwichtig. Aber ohne Leidenschaft zu spielen ist unverzeihlich.“
Besondere Begeisterung verspürt man bei „He`s a pirate“ aus „Fluch der Karibik“. Die Energie und Freude, die die jungen Musikerinnen und Musiker versprühen, zieht alle in den Bann. Als Zuhörer wird man richtig mitgerissen, man fühlt sich plötzlich selbst wie ein Teil des Orchesters und ist mit ihm zusammen auf hoher See. Nora erklärt mir das folgendermaßen: „Das ist von uns allen das Lieblingsstück. Alle fühlen das so krass und das merkt man halt auch beim Spielen.“ Fayçal Karouis Konzept scheint aufzugehen. Beim Konzert am Sonntag erntet das Orchester aus so jungen Menschen verdienterweise einen riesigen Applaus.