Hogwarts in Italien in Potsdam

Marla Engelschalk, 22 Jahre

Es ist kein normaler Donnerstagmorgen in Sanssouci. Etwa fünzig Teenager sind ungewöhnlich ruhig. Sie wechseln Blicke, als der Opernsänger Sreten Manojlovic zum Orchester dazukommt. Ohne Mikrofon erfüllt seine Stimme die Pflanzhalle des Orangerieschlosses. Wenn er die große Jungsgruppe im Publikum anschaut, flüstern sie aufgeregt. Das hätten sie nicht gedacht, dass hier, in dem sonst leeren Schloss und der Junihitze, ein paar Töne so schnell die Stimmung verwandeln können. Sonst gibt es kaum Schulausflüge, die wirklich die ganze Klasse ansprechen. Doch die Musik verändert alles!

Die Dirigentin Dorothee Oberlinger, lächelt verschmitzt. Die Schülerinnen und Schüler besuchen eine Probe der Oper „Orlando generoso“ von Agostino Steffani, die sie musikalisch leitet und kuratiert hat. Alle Tickets für die Oper sind bereits ausverkauft. Viele der Teenager haben noch nie vorher solche Instrumente live gehört, denn es handelt sich um ein spezielles Barockorchester. Von Barockcello bis Cembalo, die schon so alt sind, dass sie auch im Museum stehen könnten. Alle Musikerinnen und Musiker zeigen die Besonderheiten ihrer Instrumente. Der Gitarrist erklärt den Unterschied zwischen Laute und Barockgitarre, die Fagottistin erzählt den Jugendlichen, dass der Luftkanal ihres Blasinstruments über zwei Meter lang ist.

Und all das an so einem besonderen Ort. Die über hundert Meter lange Pflanzenhalle ist denkmalgeschützt und das Licht scheint durch die Fensterfront. Die Bühne befindet sich zentral im Raum, dieser bildet den eigentlichen Bühnenhintergrund, denn die symmetrischen Säulen lenken den Blink in die Unendlichkeit. Damit wirken die Proben tatsächlich magischer. Würde die Zauberschule Hogwarts in Italien liegen, könnte so eine Musikstunde am Vormittag aussehen. Und sich auch so anhören.

Sreten Manojlovic spielt in dem Stück den Zauberer Atlante und sorgt für Intrigen. Per Handy hat er alles im Griff, und das, obwohl der Bassbariton erst vor einer Woche eingesprungen ist. Hélène Walter ist die schöne Königstochter Angelica und ihre Figur will „alles richtig machen“, wie sie den Schulklassen erklärt. Es ist kompliziert, die Handlung des Stückes zu erklären, doch sobald Oberlinger den Einsatz gibt, ohne Taktstock oder Zauberstab übrigens, das Orchester spielt und die beiden singen, spielt das fast keine Rolle mehr.

Während der exklusiven Schülerprobe ist im Publikum nicht ein Handy zu sehen. Ein Indiz dafür, dass die Exkursion einen Beitrag dazu geleistet hat, den Teenagern das Format Oper näher zu bringen. Und so viel hat sich seit dem Barock nicht verändert: Die größten Probleme entstehen nach wie vor in der Liebe. Und ein Cembalo kann schon mal wie eine E-Gitarre klingen.