Krach. Etwas in der empfindlichen Mechanik des Hammerflügels ist zersplittert. Die dazugehörige Taste lässt sich nicht mehr spielen. Es ist nur noch wenig Zeit bis zum Konzert. Pianist Tomasz Ritter ist gerade dabei, sich mit dem Instrument vertraut zu machen und muss mit einem Ton weniger auskommen. Trotzdem spielt er erstmal weiter und übt Mendelssohn. Heute Abend ergänzt er das Expertengespräch zwischen dem Humboldtexperten Prof. Ottmar Ette und der Musikwissenschaftlerin Prof. Gesa zur Nieden. Im Kavalierflügel von Schloss Glienicke soll es um „Denken auf Reisen“ gehen.
Instrumentenbauer Christian Rothe sollte eigentlich den Hammerflügel nur stimmen. In der Bahn habe er von dem Tastenbruch erfahren und sei nochmal schnell in die Drogerie gegangen, berichtet er. Seine Werkzeuge: Klebstoff und Tesafilm. Zum Glück sei die Verbindung zwischen Taste und Hammer längs gebrochen und nicht quer, so können man die beiden Hälften gut wieder zusammenkleben. Mit Sekundenkleber setzt er die gebrochen Flächen zusammen und wickelt Tesafilm darum. „So sollte es erstmal halten“, sagt er. Zu einem späteren Zeitpunkt muss die gesamte Taste ausgetauscht werden, heute muss die Notreparatur reichen. Jetzt muss die Saite nur noch neu gestimmt werden.
Ganz schön schlechter Zeitpunkt, so direkt vor einem Auftritt. Tomasz Ritter wirkt trotzdem ganz entspannt. Zeit zum Gestresstsein habe er ja später noch, sagt der Pianist, die Salatgabel in der Hand, keine Stunde vor seinem Auftritt. Und: „Nicht auf die Dauer der Übezeit kommt es an, sondern man muss wissen, was genau man üben will.“ Vor knapp sechs Jahren hat Ritter die erste Ausgabe des Chopin Wettbewerbs in Warschau mit historischen Instrumenten gewonnen. Morgen reist er zu einem Konzert nach Japan, aber heute ist Salonatmosphäre angesagt.
Wie schon in den Salons zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wird heute Abend diskutiert und musiziert. Die Experten Ottmar Ette und Gesa zur Nieden sprechen über Alexander von Humboldt und Komponisten, deren Gemeinsamkeit das Reisen ist. Die Musikstücke sind passend gewählt, darunter Lieder ohne Worte von Felix Mendelssohn, der mit Humboldt eine enge Freundschaft pflegte. Von Liszt transkribierte Schubertlieder wie Der Wanderer stehen in Einklang zu den Reisen Humboldts und der Grand Tour, dem diesjährigen Motto der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci. Trotz des kleineren Tonvolumens des Hammerflügels im Vergleich zum modernen Konzertflügel, weiß Tomasz Ritter Lautstärke und Tempo gekonnt zu variieren und zaubert so ein dynamisches Feuerwerk, das auch in den letzten Reihen zu spüren ist. Das anekdotenreiche Gespräch schafft eine angenehme Atmosphäre, aber eine Leitfrage hätte für mehr Tiefgang sorgen können und vielleicht mehr Expertenwissen zum Vorschein gebracht. So schafft es vor allem die Musik, die zwischen virtuosen und stillen Momenten wechselt, das Publikum an fremde Orte und in vergangene Zeiten zu führen.