Mensch und Maschine stehen sich gegenüber. Ein inszenierter Briefwechsel, in dem der Tenor Martin Nagy mit einer schwarzen Feder auf Papier schreibt und damit einen Menschen verkörpert, und die Sopranistin Susanne Leitz-Lorey mit VR-Brille eine Künstliche Intelligenz personifiziert, die ihren Text maschinell zu Papier bringt. Das Kratzen der Feder auf Papier steht maschinellen Geräuschen aus dem Lautsprecher gegenüber, bis der Klangteppich schließlich durch salonartige Musik erweitert wird. „Der Mensch“ beginnt ein Schubertlied zu singen. Die Roboterfigur antwortet und scheint zu versuchen, menschliche Sprache zu artikulieren.
Das Werk der Dichterin Maria Barnas und des Komponisten Severin Dornier zeigt eindrucksvoll die Interaktion zwischen einer Maschine, die keinerlei menschliche Hilfe benötigt, um Ergebnisse zu erzielen und einem Menschen, der quasi sein eigenes funktionierendes System ist.
Dann „dichtet“ die KI; ein Schreibautomat skizziert scheinbar eine Antwort auf den poetischen Gedanken des Menschen: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt existiere. Was Du beschreibst, ist romantisch, aber für eine Seelenverwandtschaft scheint mir das wenig angemessen.“
Das performative Werk ist aus der Hand von ChatGPT entstanden, einer intelligenten Onlineplattform, die aus Schlagworten formatgerechte Texte formuliert. Spätestens mit dieser neuen KI-Lösung bekommt das „virtuelle Gehirn“ der Menschen zunehmend mehr Aufmerksamkeit – auch in der Kunst. Damit hat es Relevanz für das diesjährige ECLAT Festival, das die aktuellen Entwicklungen der Neuen Musik voranbringt. ChatGPT ist erst seit wenigen Wochen in aller Munde; IT-Experten gehen davon aus, dass das System die Welt so revolutionieren könnte wie einst das Internet. Aufregend, hier die Erforschung von Kreativanwendungen miterleben zu können. Susanne Leitz-Lorey und Martin Nagy sehen die Beschäftigung mit intelligenten Anwendungen als Bereicherung für ihre musikalische Arbeit, mit neuen Möglichkeiten zu klanglicher Entfaltung.