Konzert in schwierigen Zeiten

Ayla, 17 Jahre

Aus dem großen Saal des Konzerthauses Berlin dringen Streicher-, Bläserklang und der Klang eines Klaviers. 76 Jugendliche aus der Türkei proben mit ihrem Dirigenten Cem Mansur das Klavierkonzert Nr. 2 von Sergej Rachmaninow. Das Besondere an diesem Klavierkonzert ist, dass das Orchester nicht nur als Begleitung fungiert, sondern auch zusammen mit dem Klavier spielt.

Vor der Probe hat der Dirigent Cem Mansur uns den Tipp gegeben darauf zu achten, wie die Interaktion zwischen Klavier und Orchester ist. Es fällt auf, dass der Pianist Gökhan Aybulus sich in seinen Pausen im Orchester umschaut, wer gerade spielt. Zudem führt das Orchester häufig Melodien des Solisten fort. Das Stück enthält sowohl schnelle Passagen, die zum Teil etwas aufgeregt klingen, als auch langsamere, nachdenkliche Passagen. Doch eins ist klar, die Musik verbindet die Musiker der Nationalen Jugendphilharmonie der Türkei, auch in den aktuellen stürmischen Zeiten im Land.

Die Stimmführerin der 2. Geigen Idil Yünkus sagte vor der Probe, wir sollten auf die Kommunikation der Musiker untereinander achten. Es ist etwa erkennbar anhand ihrer Gesichtsausdrücke, was die einzelnen Musiker fühlen und denken. Dadurch, dass ich nicht das gesamte Orchester sehen kann, nehme ich mir vor, später im Konzert darauf zu achten. Im Anschluss an das Klavierkonzert wird die Zugabe des Orchesters geprobt, das Vorspiel zu den „Meistersingern von Nürnberg“ von Richard Wagner, denn bei Young Euro Classic ist es mittlerweile Tradition, dass es Zugaben gibt.

Am Abend bildete die Festivalhymne von Young Euro Classic, gespielt von den Stimmführerinnen der Streicher, den Anfang dieses außergewöhnlichen Konzertes. Dann erklingt die Ouvertüre zum Freischütz von Carl Maria von Weber. In der Oper wird ein Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen in der Musik umgesetzt, ein solcher, wie er auch heute in einigen Gesellschaft bereits ausgefochten wird. Die Musiker kommen aus einem Land, in dem die Regierung am liebsten jegliche Form westlicher klassischer Musik verbieten würde, wie Idil Yünkus uns erzählt, doch das Orchester macht weiter und ist in diesem Jahr bereits zum 5. Mal bei Young Euro Classic zu Gast.

Es lässt sich beobachten, wie die Musiker untereinander nur durch ihre Mimik und den Gesichtsausdruck kommunizieren. Jetzt wird klar, was die junge Geigerin Idil und auch der Dirigent Cem Mansur damit meinten, dass die Musiker mit einander kommunizieren, aber auch das Klavier mit dem Orchester, denn das Orchester setzt Melodien des Klaviers fort oder spielt zusammen mit dem Klavier. Es ist erkennbar, dass dieses Werk den Musikern einiges abverlangt, denn der Pianist wischt sich ab und an den Schweiß mit einem Taschentuch aus dem Gesicht.

Zum Glück folgt nach diesem Werk die Pause, in der sich die Musiker etwas erholen können, um für das nächste Werk Kraft zu schöpfen. Das Werk „Silent Echoes“ von der türkischen Komponistin Füsun Köksal ist geschrieben für 32 Streicher, die in zwei Gruppen mit jeweils 16 Musikern unterteilt sind. Es ist ein modernes Werk, was man auch anhand einiger musikalischer Mittel bemerkt, die Köksal verwendet. Die Komposition ist nicht jedermanns Geschmack, aber die jungen Musiker bringen sie wunderbar zur Geltung. Es folgt die 8. Symphonie von Beethoven, vielleicht die kürzeste, aber meiner Meinung nach die ausdrucksstärkste Symphonie neben der berühmten 9. Symphonie, mit einem leicht chaotischen Charakter. Die Symphonie wirkt auf mich wie eine Art „Helfer“ in schwierigen Zeiten, die jungen Musiker verleihen ihr einen Ausdruck der Hoffnung, wie ich ihn noch nie gehört habe. Es gibt viel Applaus vom Publikum und der Dirigent kündigt die Zugabe an: das Vorspiel zu den „Meistersingern von Nürnberg“. Ein Raunen geht durch das Publikum, auch dieses zum Teil umstrittene Werk wird wunderbar gespielt und so ist es kein Wunder, dass es auch bei diesem Konzert minutenlangen Applaus und standing-ovations gibt und die Musiker noch auf der Bühne sich selbst feiern während das Publikum den Saal schon verlassen hat.

Ein weiteres wundervolles Konzert bei Young Euro Classic, auch wenn es einen traurigen Beigeschmack hat zu wissen, dass die Musiker in ihrer Heimat Schwierigkeiten ausgesetzt sind, doch gleichzeitig ist es ein Signal, dass es in der Türkei Jugendliche gibt, die Musik mögen und klassische Musik machen. Und es werden junge Menschen sein, die sich für klassische Musik interessieren, wie die Geigerin Idil sagt, die dafür sorgen, dass es nicht zu einem Verbot in ihrem Land kommt.