Irritierend. So kann man das höchst subversive Stück von Tim Schomacker und Tim Ogiermann wohl ein einem Wort beschreiben. Was auf die Zuhörenden in 23 Minuten an verstörenden Bildern, elektronisch verfremdeten Klängen, Gesangsfetzen und Instrumentalfragmenten prasselt, wirkt wie aus einem psychedelischen Traum. Sinsheim wird zu „Sinshome“ – im Zuge eines bizarren Gesellschaftsumwandlungsprozesses, in dem der Chor eine SS-artige Rolle übernimmt und sämtliche „KVs“ – „Körperversammlungen“ – verbietet. Außerdem vertreten: Ein „Dorfdepp“, der Countertenor Berkan Zerafet, der dem ganzen Geschehen unter Auskostung sämtlicher Stimmlagen zur Seite steht. Der Sprechchor und Gesangschor mimt mal eine unaufhörlich seufzende Sterbende, mal einen demotivierten Jesuiten, der das Vaterunser herunterstottert. Wie das alles zusammengehört, bleibt dem Zuhörenden teilweise verborgen, was nicht weiter stört, weil ohnehin keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Diese moderne Auffassung von einem Oratorium lässt – ganz auf der Höhe seiner Zeit – auch gar kein Abschweifen der Aufmerksamkeit zu. Das Geschehen verläuft akustisch und visuell nah an der Grenze zur Reizüberflutung, kommentiert und reflektiert sich selbst.
Trotz seiner düsteren Grundeinstellung, ist „Sinshome: die größte Kraft“ stellenweise amüsant, da es mit zweideutigen Botschaften nicht spart. Wohl die schönsten Momente des Oratoriums erlebt man dann, wenn sich das Publikum unverhofft im Geschehen wiederfindet. Spätestens wenn etwa der gesamte Chor das Smartphone zückt und anfängt das Publikum zu filmen, ist es mit der Distanz vorbei. Um sich einmal intensiver mit dem Werk auseinanderzusetzen, bräuchte man aber einen zweiten Anlauf.