Und dann ist es plötzlich still

Sophie-Caroline Danner, 23 Jahre

Neue Musik. Das war irgendwie immer dieses abstrakte, fremde Ding, um das ich einen möglichst großen Bogen gemacht habe. Dann hat mir mein Institusleiter im Oktober eine Einladung zu diesem Workshop weitergeleitet, bei dem man ein Festival für neue Musik schreibend begleiten kann. Zeit für mich, mich meiner ängstlichen Abwehr zu stellen und gleich in zwei ungewohnte Gebiete einzudringen: Neue Musik und Schreiben.

Gleich am ersten Tag des ECLAT Festivals werden wir ins kalte Wasser geworfen: „Schreibt eine Kritik über eines der Stücke beim Eröffnungskonzert.“ Ohne vorherige Ansage, wie das gehen soll. Einfach mal machen… Na toll. Wir acht Teilnehmer*innen, mit unterschiedlichsten Backgrounds, fühlen uns alle wie Schildkröten auf dem Rücken. Trotzdem bringen wir irgendwie alle was aufs Blatt, und das gar nicht mal so schlecht.

Julia Kaiser leistet tolle Arbeit in der Betreuung. Fair und konstruktiv kritisiert sie unsere Arbeit, hilft beim Verbessern, geht sehr individuell auf uns ein und gibt uns jeden Freiraum, den wir brauchen. Niemand ist gezwungen, über etwas zu schreiben, worauf er keine Lust hat. Wenn man voll von Eindrücken ist, macht sie uns kein schlechtes Gewissen, sondern bringt uns Verständnis entgegen, was sich dann sehr gut anfühlt. Wir erfahren Gefühle von Überforderung mit der Musik und diese dann zu beschreiben, doch meistens kann sie sogar dadurch behoben werden. Wir bilden eine schöne, sehr heterogene Gruppe und haben nach jedem Konzert tolle Gespräche, die uns weiterbringen.

Insgesamt habe ich 9 Konzerte und eine Oper besucht, die mich mal mehr, mal weniger angesprochen haben. Und das ist okay. Rückblickend gab es Stücke, bei denen ich dachte: „Oh je… Hoffentlich geht das jetzt nicht die ganzen 15 Minuten so.“ Entweder diese Hoffnung wurde erfüllt, und die Stücke legten eine enorme Entwicklung hin (Sergej Newski: „Steichquartett Nr. 3“), oder eben nicht. Einige Werke haben mich nicht erreicht, andere wiederum mit dem ersten Ton gefangen (z.B. Stefan Keller: „PERSONA“).

Als der vor mir sitzende junge Mann im Abschlusskonzert einen Lachanfall nur mit Anstrengung unter Kontrolle behält, merke ich, wie selbstverständlich neue Gesangs- und Spieltechniken für mich geworden sind. Vor einiger Zeit hätte ich das ein oder andere wahrscheinlich auch komisch oder befremdlich gefunden, doch das hat sich geändert.

Ich bin dankbar für die Möglichkeit, das ECLAT Festival so intensiv miterleben zu können und dabei eine so gute Betreuung genießen zu dürfen. Der Hörende wird hier nicht mit dem Stoff alleine gelassen. Es gibt ein hilfreiches Programmheft und im Nachhinein die Chance, mit Künstlern, Komponisten oder anderen Besuchern ins Gespräch zu kommen.

Auch wenn wir nicht mit allem etwas anfangen konnten und auch oft uneinig waren in unseren Urteilen, haben wir gelernt, dass es nicht nur auf Meinung ankommt, und wenn doch, dass jede Meinung eingenommen werden darf, solange man sie begründen kann. Das Meiste fand ich spannend und wenn mal nicht, dann ist das eben, wie so oft im Leben: Manchmal hilft es auch, zu wissen, was man nicht mag.

Jetzt ist Montag und der Zauber (für manche vielleicht auch Spuk) ist vorbei. Ich habe noch nicht so ganz realisiert, dass heute Abend keine neuen live-Eindrücke mehr auf mich einprasseln werden. Auch wenn ich mich auf die Ruhe gefreut hatte (es war dann doch ganz schön viel, was ich so erlebt habe), finde ich es jetzt schade, dass es vorbei sein soll, bzw. ist. Es war eine tolle Zeit, und ich warne das Festival schon jetzt vor meinem Besuch im nächsten Jahr.