Eine Sporthalle, statt in grelles Turnhallenlicht ist das Konzertsetting in eine fremdartige abgedunkelte Atmosphäre getaucht, der grüne Boden für die Zuschauerströme ausgelegt mit edlem weißgrauem Vlies, nach oben viel Luft zur hohen Decke. Publikumssitze, blockartig angeordnet in Inseln um einen leeren Raum – eine rechteckige Bühne. 12 Performer*innen in schwarzer Kleidung beginnen plötzlich synchrone Bewegungen, in ihren Händen große schwarze Megaphone. Sie formieren sich symmetrisch und halten inne. Nach einer kurzen Pause fliegen durch die Megaphone zischende und fauchende Klänge auf die Publikumsinseln zu. Durch synchrone Richtungsänderungen der Performer sind sie für die Zuhörer*innen immer nur kurz wahrnehmbar.
Der dynamische, konzentrierte Beginn der Performance der Komposition Together Games von Ashley Fure unter Regie von Lilleth Glimcher fesselt durch hohe Raumspannung. Das geschlossene Auftreten der Performer und die Farbästhetik der schwarzen Kostüme mit den edel-modern designten Megaphonen wirkt beeindruckend in dem atmosphärisch-phantastischen Turnhallenraum. Dazu hört man elektronische, basslastige Klangcluster unter Geräuschfeldern, die von um die Zuschauer herumwandernde Musiker*innen des Ensembles Modern mit Gegenständen und Instrumenten erzeugt werden.
Die vielversprechende Ausgangssituation öffnet einen Erwartungsraum auf große Spannungszustände und plötzliche dynamische Entladungen. Die Kraft des Beginns verliert sich jedoch kurz darauf in Raumbildern und performativen Anordnungen, in denen man vergeblich die Intensität und zeitlich-energetische Präzision des Anfangs sucht. Das Publikum erlebt musikalische und raumchoreographische Situationen von Gruppenformationen bis Duett – Bewegung vermischt mit Klang vermischt mit Choreographie. Die einzelnen Elemente vermögen oft nicht ihr volles Potential zu entfalten. Einige Raumformationen verkommen so zu rein formaler Dekoration, die sich schleppend entfaltet und schnell vorhersehbar ist. Positionswechsel treten zeitweise als reine Geh-Übung in Erscheinung und können die Spannung, die szenisch angelegt ist, nicht im Ansatz verwirklichen.
Die Musik ist interessant, energetisch bis ätherisch schön, wirkt jedoch in ihrer Dramaturgie und hinsichtlich der einzelnen Spannungskurven ebenfalls nicht auf den Punkt geführt. Mehrfach bauen sich Klangräume vielversprechend organisch auf, verlieren sich dann jedoch, ohne ihren Höhepunkt zu erreichen, in einem Wechsel zu etwas Anderem, der die Abfolge der Klangbilder mitunter als beliebig erfahren lässt. In einer derartigen Häufung läuft die Performance leider Gefahr, beim Publikum zu Resignation und einem Warten auf das Ende zu führen, da die Raumsituation dafür sorgt, dass sich die Zuhörer*innen – im Gegensatz zu den Megaphonist*innen und Performer*innen – nicht bewegen können und in dieser Turnhalle auf einen einzelnen Platz fixiert werden. Es taucht beizeiten die Frage auf, ob eine Konzentration auf die musikalische Handlung ohne Raumchoreographie überzeugender gewesen wäre, da Verdichtungen der Musik weder in Bewegung kontrastiert, noch überzeugend gespiegelt wird, sodass die Verbindung von Musik und Bewegung wie ein schlaff ausgeführtes Duett wirkt.
Am Ende bauen sich die Megaphonist*innen und Musiker*innen zu energiegeladenen Klängen noch einmal vor den Publikumsblöcken auf und schleudern Zischlaute auf sie zu. Auch hier wird fokussierte Präsenz spürbar, man fühlt sich fast bedroht durch die Aufstellung und das entschlossene Auftreten, nahezu beängstigend, energetisierend, einen leichten Schauer über den Rücken jagend. Jedoch erschöpfen sich auch diese Aktionen des Atmens schnell, die Phrasen und Dynamik sind vorhersehbar und es kommt nicht viel vom Klang an auf den inneren Plätzen der Publikumsblöcke, sodass die Zuschauer enttäuscht in ihren Sitzen zurücksinken. Die Ortswechsel finden zu oft vor dem energetischen Höhepunkt statt.
Nach dieser Aufführung stellen sich Fragen. Inwiefern ist Musik mit performativen Konzepten zu verbinden? Und was benötigt es, um darin zu überzeugen? Man wünscht sich einen der Musik angemessenen Umgang mit Raum, was Kontraste und Präzision in Zeit, Körperspannung und innerer Haltung betrifft. Für derartig spannende und rahmensprengenden Ansätze in Komposition und Performance scheint es außerdem relevant zu sein, noch tiefer Tanz, Körperwissen und Theatralität mit einzubeziehen, da die Inszenierungen sonst im besten Falle wie nette, aber inhaltsleere Versuche wirken, nun die Aufführung auch noch ein bisschen mit Raum und Bewegungskörpern zu schmücken.
Mag es auch die einen oder anderen an klassische Aufführungssituationen gewöhnten Zuschauer*innen überraschen und begeistern – in anderen Sparten wird die Verbindung von Musik, Körper- und Raumkunst ebenfalls und mitunter überzeugender umgesetzt. Am Ende bleibt ein Eindruck der Komposition mit ihren wirkungsvollen Farben und Klangkombinationen. Nach den 37 Minuten der Aufführung entsteht jedoch der dringende Wunsch, die engen Sitze endlich zu verlassen und auch etwas Frustration über nicht genutzte Chancen und verschenkte Zeit.