Das sechste Konzert des ECLAT-Festivals, ein Kammerkonzert mit dem Ensemble Resonanz, Peter Rundel und Jeremias Schwarzer, überzeugte mich durch die Vielfalt der Programmauswahl und das Eingehen auf die digitale Situation des Festivals.
Das erste Stück, Enno Poppes ‚Stoff‘, wurde trotz seiner akademischen Strukturiertheit nicht langweilig. Der Reichtum an Artikulation, Rhythmik und die feine Ausgeglichenheit zwischen den Einzelstimmen summierten sich zu einem außerordentlich dynamischen Verlauf. Von den drei Werken des Konzertes war dieses das Klassischste: ein virtuos komponiertes Ensemblewerk.
Es folgt ein der digitalen Konzertsituation angepassteres Format: das vorproduzierte Werk “Whistle-Blower” der Komponistin Iris ter Schiphorst. Zu sehen war Jeremias Schwarzer an der Soloblockflöte, allein und getrennt aufgenommen vom ihn begleitenden Streichensemble – ein schönes Bild für die Isolation, in welche sich viele Whistleblower begeben müssen, als hohen Preis für das Aufdecken der Wahrheit.
Während man den Solisten in verschiedene Settings begleiten konnte – etwa in einer leeren Konzertgarderobe – war das Ensemble klassisch in einem Konzertsaal in Konzertkleidung positioniert. Diese einseitige Inszenierung ist zwar im Ansatz einleuchtend: die starre Gesellschaft – der agile Whistleblower, immer auf der Flucht. Doch wäre eine andere Szenerie auch für das Ensemble von Vorteil gewesen, um die Möglichkeiten der digitalen Produktion eines Werkes voll auszukosten. Hätten die Musiker*innen beispielsweise in einer alten Fabrikhalle oder einer Parkgarage gespielt, wäre die Konzertsaal-Ebene weggefallen und man hätte sich noch tiefer in das Werk einleben können. Auch die Visibilität der Elektronik fehlte mir in dieser Produktion: Effektgeräte und Sampler waren unsichtbar. Das ist schade, ist die Elektronik doch auch ein wesentlicher Teil des Werkes und des entstehenden Klangbildes.
Die letzte Produktion, Alexander Schuberts “Convergence”, hat den Digitalen Raum vollends ausgenutzt. Ein KI-Programm, erstellt von Jorge Davila-Chacon, verarbeitete Video und Sounds der Musiker*innen. Hier lag der Fokus aber schlicht zu stark auf dem Zeigen technologischer Möglichkeiten, und die Frage nach den Grenzen der Kunst tat sich mir auf. Kitschige Blockbuster-Sounds und viel zu lange Roboter-Monologe, eintönige Klangschwaden und kein Szenenwechsel in diesem etwa halbstündigen Werk: Ist das Kunst oder der Beweis hoch entwickelter technischer Fähigkeiten?
So komplex das Werk erzeugt wurde, so simpel waren musikalische und dramaturgische Überlegungen: das Betreten und Verlassen der Musiker*innen des virtuellen Raums wirkte unüberlegt und wie eine Notlösung, weil man eben einfach keine bessere fand. Der Galaxien-Himmel am Ende des Werkes war ein erzwungener Höhepunkt einer leeren Kitsch-Hülle ohne tiefergehenden Inhalt, denn auch das vom Roboter rezitierte Gedicht mit Ein-Wort-Sätzen und Poetry-Slam-Ästhetik liest sich wie leere Worte. Analog dazu hörte man einen Schwall an verarbeiteten Klängen, denen es einfach an Entwicklung und Dynamik fehlte.
Der gesamte Konzertabend hinterließ dennoch einen Anstoß zum Nachdenken und Reflektieren digitaler Formate – interessante Ideen und Ansätze zum Umgang mit gestreamter Kunst wurden vorgestellt.