Dicht an dicht mit den anderen Besuchern des Eröffnungskonzertes schiebt sich die Zuschauerin durch einen engen Flur, auf ein Wummern zu, ein tragendes Dröhnen im Saal. Dort bricht das beengende Gefühl auf und eine sehr ungewöhnliche Bühnenkonstellation eröffnet sich. Der Komponist Adrian Nagel hat für sein Stück „Ausstellung II“ insgesamt neun Gruppen mit Musikern und Musikerinnen im Raum platziert, die einander zugewandt sind und genau nach Stoppuhr ihre Blasinstrumente ertönen lassen. Die sehr statischen und geschlossen zusammenstehen Gruppen werden von den in den Zwischenräumen umherfließenden Zuschauer und Zuschauerinnen umschwärmt. Dabei setzen sich die in schwarz gehaltenen Gruppierungen von der sich ständig in Bewegung befindenden, bunten Menschenmasse ab.
Es ertönt eine vielschichtige Klangpalette mit lauten, kräftigen und tiefen Tönen aus Hörnern und Trompeten sowie leisen, sanften Tönen aus verschiedenen Flöteninstrumenten, die in einem fast erdrückenden Klang scheinbar ineinander übergehen. Dabei ergibt sich ein genau aufeinander abgestimmtes Klangbild, das trotz der räumlichen Trennung der Gruppen eine raumfüllende Klangkulisse darstellt. Der Zuschauer, der sich frei im Raum bewegt, kann aus verschiedenen Positionen die Klangcluster unterschiedlich wahrnehmen, indem er sich der einen Gruppe nährt und sich gleichzeitig von einer anderen entfernt. Dabei gewinnt der anschwellende und wieder abschwellende Klang der verschiedenen Cluster eine Dreidimensionalität, die fast greifbar zu sein scheint. Es ist eine Klangwelt, die überrascht. Der Zuschauer ist dabei in der Rolle des stillen Beobachters und Zuhörers. Die eigene Position im Raum beeindruckt die pulsierenden Gruppen nicht, es kann sein, dass der Klang leiser wird, obwohl man sich ihm nähert und das Cluster, von dem man sich gerade entfernt, stärker wird. Die Töne sind erdrückend, das einander Ablösen ist aber wieder schön und harmonisch.
Beim Bummeln durch die Klangkulisse im grellen Licht und nüchterner Atmosphäre, nimmt man die Mitzuschauer viel deutlicher wahr als normalerweise. Auf der Reise durch den Raum begegnet man teils irritierten und teils faszinierten Gesichtern, die die Musiker und Musikerinnen aus nächster Nähe bestaunen oder einfach das pulsierende Aufeinandertreffen der einzelnen Musikergruppen genießen. Ein seltsam fesselndes Spiel zwischen Klang und räumlich sozialen Elementen und Konstellationen.